Titelthema - Bücher - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Kinderbücher unterm Baum

„Der Pharao und seine Soldaten gehen im Wasser unter”
Problematische Geschichten in Kinderbibeln

Zu Weihnachten dürfte auch die eine oder andere Kinderbibel unter dem Weihnachtsbaum liegen. Auswahl gibt es genug.Kinderbibeln erzählen und bebildernwunderbare Geschichten. Aber auch in ihnensind Geschichten der biblischen Überlieferung enthalten, die für Kinder wie für Erwachsene unverständlich oder sogar schwerzu ertragen sind. Auch wenn sie zum Kernder Bibel gehören, wie der Auszug des VolkesIsrael aus Ägypten (2. Mose 1-15) Diese Überlieferung ist nicht nur für dieunterdrückten Sklaven in den USA zur Kraftquelle geworden, sondern berichtet auch dieEntstehung des jüdischen Festes Pessach. Sieerzählt von einem versklavten Volk, das vonseinem Gott zur Freiheit befreit wird, aberauch von Mose, der in sich eine Kraft entdeckt, mit der er niemals gerechnet hat. AllesErfahrungen, die Kindern gut tun können.Gleichzeitig wird erzählt, wie Gott denägyptischen Herrscher durch Massenmordan dessen Untertanen (die „zehn Plagen”)dazu bringt, das Volk Israel gehen zu lassenund dann nicht nur das Meer für die Israeliten zurückweichen, sondern die ägyptischeArmee in dem gleichen Meer ertrinken lässt.Die Kinderbibeln enthalten alle diese Erzählung vom Auszug aus Ägypten. Sie verwenden dabei zwei Strategien: Die problematischen Aspekte werden entweder geglättet(manchmal weggelassen) oder kommentiert.

„Meine erste Wimmelbibel” von CarmenHochmann (Gabriel Verlag) wählt die ersteStrategie. Die Plagen sind lästig, aber (fürMenschen) nicht tödlich, die Soldaten ertrinken nicht, sondern kehren einfach um. DerSchwerpunkt liegt auf der fröhlichen Befreiung, das Volk Israel kommt gut durch das Meer und ist gerettet. Das entspricht zwarnicht ganz dem Inhalt des Originals – dochdie Geschichte ist in sich stimmig. Sie verliert zwar einiges an ihrer Kraft, aber es ist ebenein Bilderbuch für ganz Kleine.
Das klassische Bibel-Bilderbuch „Der Auszug aus Ägypten” mit Illustrationen von Kees de Koort (in: Bibelbilderbuch. Band 2,Deutsche Bibelgesellschaft 1999, S.3-28) lässt die Plagen ganz weg und konzentriertsich auf die Flucht durch das Meer. Gott  treibt das Wasser weg und dann wieder zurück:„Der Pharao und seine Soldaten gehen imWasser unter” (S.25). Gottes Hilfe durch die Vernichtung von Menschenleben. Die Israeliten jubeln und tanzen.
Immerhin heißt es im Nachwort für Eltern: „Für uns (auch für manche Kinder) ist vielleicht der Jubel über die Rettung getrübt durch den Preis, den sie kostet: das Leben so vieler, auch unschuldiger Menschen” (S.28). Eine Erklärung wird allerdings nicht angeboten, lediglich unter Verweis auf 1. Korinther 10 eine Verbindung mit der Taufe: Das Volk Israel ebenso wie die halsstarrigen Ägypter stehen für Anteile unserer eigenen Persönlichkeit. Die bösen Anteile können durch das Wasser der Taufe überwunden werden, die guten bringt Gott ans Licht. Für kleine Kinder dürfte das kaum verständlichsein und außerdem hatte die zuallererst jüdische Erzählung sicher nicht die christliche Taufe im Blick.

Tanja Jeschke verschweigt in der „großen Bibel für Kinder” (Deutsche Bibelgesellschaft 2008) die schlimmen Plagen mit der Ermordung aller erstgeborenen ägyptischen Söhne ebenso wenig wie die Vernichtung des gesamten ägyptischen Heeres im Meer. Die dazugehörigen Illustrationen von Marijke ten Cate zeigen eher die Angst der Ägypter als die der Israeliten. Das „Nachwort für die Erwachsenen” enthält den wenig hilfreichen Satz: „Der uneinsichtige Pharao und die Ägypter werden von einer unerträglichen Plage nach der anderen heimgesucht – so lange, bis er die Israeliten tatsächlich ziehen lässt.” (ohne Seitenangabe).

Margot Käßmann erzählt in ihrer „Bibel für Kinder” (Herder 2017) von den Plagen, auch von der schlimmsten letzten mit dem tausendfachen Kindermord. Das Schicksal der Soldaten lässt sie offen. Sie stellt allerdings schon in ihrem Vorwort die Frage: „Was können wir einem Kind zumuten an grausamen Geschichten, wie es sie in der Bibel nun einmal gibt ...?” (S.8). Sie rät dazu, die Geschichten nicht einfach nur vorzulesen, sondern im Anschluss daran darüber zu sprechen.

Explizit an ältere Kinder oder Jugendliche richten sich die evangelische „Einsteigerbibel” (Deutsche Bibelgesellschaft 2019) und die katholische YouCat‐Bibel (Katholisches Bibelwerk 2017). Beide bieten textgetreue Übersetzungen einer Textauswahl und zahlreiche Erläuterungen am Rand. Im Fall der Einsteigerbibel sind sie farbenfroher, erklären aber nur Begriffe, keine Inhalte.

Die YouCat‑Bibel dagegen ist zwar vorwiegend in Schwarz‐Weiß gehalten (dafür mit charmanten Strichzeichnungen), bietet aber außer Sachinformationen und Querverweisen zahlreiche Zeugnisse prominenter Christ*innen und ganz normaler Jugendlicher. Schließlich bietet sie sehr erhellende Erläuterungen zum Text. Die Plagen werden erwähnt und erklärt: „All das ist nicht wirklich passiert, sondern zeigt, welches Unglück Diktatoren anrichten, nicht nur gegen ethnische Minderheiten, sondern auch gegen ihr eigenes Volk” (S.40). Der Pharao als machtbesessener Diktator, dem das eigene Volk völlig egal ist. Die Teilung des Meeres und der Tod der Soldaten wird so kommentiert: „Die militärischen Bilder sind symbolisch zu verstehen. ...Die Erzählung will allen Flüchtlingen Mutmachen: Gott ist größer als das stärkste Heer der Menschheit” (S.41). Das ist ein starker Diskussionsimpuls.

Kinder können offensichtlich mit einer Kinderbibel kaum allein gelassen werden. Es ist gut, dem Vorschlag von Margot Käßmann zufolgen, gemeinsam zu lesen und dann darüber zu sprechen. Das könnte für Kinder wie für Erwachsene ein großer Gewinn sein – wie alles gemeinsame Lesen. Allerdings sind auch wir Erwachsene nicht automatisch Bibelexperten und stehenden problematischen Geschichten oft ähnlichhilflos gegenüber wie die Kinder. Die meisten Kinderbibeln enthalten zwar Erläuterungen für Erwachsene, machen diesen hilfreichen Ansatz aber zunichte, indem sie hoch theologisch argumentieren und so für das normale familiäre Bibelgespräch nutzlos sind.Warum nicht auch Kinderbibeln den Weg derJugendbibel gehen, ist mir ein Rätsel. Natürlich können wir schummeln, die Plagen und ertränkten Soldaten beim Vorlesen einfach weglassen und uns auf die Befreiungsgeschichte konzentrieren. Das hilft kurzfristig (und ist manchmal sicher der einzige Weg), aber Kinder sind nicht dumm und uns selbst können wir nicht beschummeln. Interessanterweise gehen Kinderbibeln fast nie diesen Weg, sondern lassen die negativen Seiten der biblischen Überlieferungen zumindest mitschwingen. Um Kinder und Eltern dann damit allein zu lassen ...Es wäre falsch, die Auszugsgeschichte einfach nicht mehr vorzulesen. Denn sie schildert einen Gott, der aus der Sklaverei befreit undbehandelt aktuelle Fragen: Fremdenfeindlichkeit, Versagensangst, die Verlockung unfreier Abgesichertheit usw. Und sie begründet die unverrückbare Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen im jüdischen und christlichen Glauben .Sie beschreibt zwar auch die Rachephantasien der Unterdrückten und den Wunsch, sich einen Gott zurechtzuerzählen, der  allmächtig und gnadenlos jeden Widerstandbricht. Darüber kann aber gesprochen werden, vor allem, weil diese Geschichten ganz offensichtlich nicht wirklich geschehen sind. Insofern kann das Geschenk einer Kinderbibel durchaus Arbeit sein – aber auch eine lohnende Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben.

Manuel Kronast

HIER SIND WIR
Ein wunderschönes Buch für Kinder und ihre Erwachsenen

Religion wird in diesem Buch zwar nicht erwähnt. Aber so, wie der Autor Oliver Jeffersseinem neugeborenen Sohn die Welt erklärt, kann man sich leicht vorstellen, dass bei ihrer Entstehung ein Schöpfer seine Finger im Spiel gehabt haben muss, so wundervoll vielfältig und farbenfroh wie sie ist. Allein die Bilder sind mit so viel Liebe gezeichnet, dass schon die Allerkleinsten daran ihre Freude haben können. Die Erzählung beginnt im Weltall, zoomt immer näher heranan unser Sonnensystem und schließlich unsere Erde. Mit dieser Perspektive ist bereits so viel gesagt: wie groß und wundersam das Universum ist, wie klein darin unser Planet –und wie wertvoll diese Erde für uns Menschen, denn „[s]ie ist alles, was wir haben.“Nach einem „Rundgang“ über unseren Planeten, der den Unterschied zwischen Land und Wasser, Bergen und Tälern, Wüsten und Seen verdeutlicht, tauchen diegroßen und kleinen Leser*innen in die Tiefen des Ozeans und blicken nach oben ans Himmelszelt. Auch der Mensch wird durchleuchtet bis unter die Haut, mit allem Wichtigen, was erbenötigt, um zu leben: Nahrung und Wärme zum Beispiel. Nachdem diese Basisinformationen geklärt sind, wird es erst richtig interessant: denn nun lernen wir, dass es „Menschen in allen Formen, Größen und Farben“ gibt und dass sie doch alle ihre Menschlichkeit gemeinsamhaben. Bei den Tieren gibt es sogar noch größere Unterschiede, und doch sollte man auch sie alle gut behandeln. Eine dritte Wendung beleuchtet das Lebender Menschen, das bisweilen ganz schön kompliziert sein kann, zum Beispiel, wenn es um die Zeit geht: „Manchmal haben wir alle Zeit der Welt. Meistens aber vergeht die Zeit viel zu schnell. “Und wie sollte das Kind seine Zeit auf dieser Erde nutzen? Indem es neugierig bleibt. Indem es sein Zuhause, diesen erstaunlichen Planeten, erforscht und entdeckt und dabei auch seine Mitmenschen mit Fragen löchert– und zwar mit möglichst vielen. Es bleibt zu ahnen, dass es viele verschiedene Antworten von ihnen bekommen wird, so unterschiedlich, wie die Menschen sind. Dieses Buch gefällt mir rundum gut und ist aus meiner Sicht ein großartiges Weihnachtsgeschenk für Jung und Alt. Denn es drückt eine Botschaft aus, die jedes Kind kennen sollte, an die wir Erwachsenen uns aber auch gern erinnern dürfen: Unsere Erde ist ein Geschenk, und die meisten Menschen, die sie mit uns teilen, sind wie wir – freundlich und neugierig, hilfsbereit und mit Liebe im Herzen. Und was heißt das anderes, als seinen Nächsten zu lieben, wie auch sich selbst? Wenn wir das alle täten, dann dürfte doch nichts mehr schief gehen für uns und unseren Planeten, oder?

Britta Füllgrabe über
Oliver Jeffers. Hier sind wir.
Anleitung zum Leben auf der Erde.  NordSüd Verlag. 2018.
Für Kinder von 4-8 Jahren. 16 Euro.

(Alle Bilder sind nur in der Druckausgabe enthalten)


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