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Thema:Zeit - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Hast Du Zeit

Wie die Zeit vergeht!

168 Stunden pro Woche. 1440 Minuten pro Tag.

Jeder ist mit dem gleichen Zeitkapital ausgestattet. Es ist allerdings merkwürdig, dass die Uhr der glücklichen Momente in unserem Leben, wie z.B. im Urlaub, schneller tickt. Bei den besonderen Momenten vergessen wir oft die Zeit. Die ungefüllten und langweiligen Tage scheinen dagegen eine Ewigkeit zu dauern.

Schon Mose wusste, dass die Zeit begrenzt ist. Er betet zu Gott:
„Mach uns bewusst, wie kurzunser Leben ist, damit wir endlich zur Besinnung kommen!“ (Psalm 90,12).
Er wusste: Meine Zeit ist nicht unendlich. Meine Tage sind gezählt. Einmal wird meine letzte Stunde schlagen. Ich brauche Verstand, um mit der Zeit angemessen umzugehen und sie sinnvoll zu nutzen.

Das bedeutet für mich persönlich:
Unsere Lebenszeit ist ein kostbares und unzählbares Geschenk Gottes. Wir können und dürfen unsere Lebenszeit mit all ihren Nöten, Sorgen und Krisen, aber auch mit ihren angenehmen und schönen Seiten ganz bewusst aus Gottes Hand nehmen.

Gott möchte, dass wir Zeit zum Lernen, für die Arbeit, aber auch für Erholung und für unsere Hobbys haben.  Zeit für andere Menschen, aber auch für uns selbst.
Unsere Zeit steht in Gottes Händen und dafür können wir mit den Worten von Jörg Zink beten:

Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben, sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und wird mein, und ich habe sie von dir. Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe. Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um viel Gelassenheit, jede Stunde zu füllen. Ich bitte dich, dass ich ein wenig dieser Zeit freihalten darf von Befehl und Pflicht, ein wenig für Stille, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen am Rand meines Lebens, die einen Tröster brauchen. Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe. Jede Stunde ist ein Streifen Land, ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug, ich möchte Liebe hineinwerfen, Gedanken und Gespräche, damit Frucht wächst. Segne du meine Zeit.

Text: Martyna Pieczka
Bild: pixabay

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Zeit aus Sicht eines vollzeitarbeitenden Familienvaters

Früher war mir Geld wichtiger als Zeit. In den Neunzigern wechselte ich zwischen fünf verschiedenen Computer-Läden hin und her, nur um am Ende 2 DM beim Kauf einer TV-Karte für meinen PC zu sparen. Nach Schule und Studium arbeitete ich viel, um mir etwas dazuzuverdienen.
Doch die Wahrnehmung von Zeit verändert sich stark mit der Lebensphase. In jungen Jahren hat man Zeit im Überfluss. Wird man älter, merkt man auf einmal, dass die eigenen Eltern, die früher wenig Zeit hatten, sich auf einmal freuen, wenn man mal viel Zeit mitbringt. Zeitmangel und Zeitüberfluss vertauschen sich.

Während meines Mathematikstudiums wurde die Zeit auf einmal knapp. Einmal fragte ich einen meiner Übungsleiter, wie er es hinbekäme, neben seiner beruflichen Tätigkeit und dem Verfassen von Fachbüchern auch noch politisch aktiv zu sein. Seine Antwort: „Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich.“ Es fällt mir schwer, diese Weisheit umzusetzen, denn ich habe oft das Gefühl, gar keine Zeit mehr zu haben vor lauter Berufsleben und Familienalltag.

Heute ist mir die wenige Zeit so kostbar geworden, dass ich Teile meines Gehaltes in extra Urlaub umwandle. Wenn ich mal versuche, eigene Interessen zu verfolgen, die nichts mit Beruf oder Familie zu tun haben, tue ich das meistens mit dem Gedanken „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Anders geht es im Moment nicht. Auf diese Weise kann ich mehr von dem, was ich gerne machen möchte, umsetzen, als wenn ich gar nicht erst anfangen würde, weil mir nicht genügend Zeit am Stück zur Verfügung steht. Häufig bin ich dann überrascht, dass ich doch recht zügig zum Ziel komme.

Inzwischen „wiege“ ich größere finanzielle Anschaffungen gedanklich nicht in Geld, sondern in der Zeit, die ich bräuchte, um das nötige Geld zu verdienen. Ein schickes neues Badezimmer wäre mir meine Lebenszeit im Moment nicht wert.

Text: A. Füllgrabe
Bild: pixabay
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Zeit aus Sicht einer teilzeitarbeitenden Familienmutter Im Grunde Gut ‒ Lesen und dann Nachrichten aus

Im April war ich mit meinem Sohn im Theater. Momo von Michael Ende kannte ich schon aus meiner Kindheit. Damals fand ich die Grauen Herren unheimlich, die den Menschen die Zeit stehlen, indem sie sie dazu bringen, schneller zu arbeiten und keine Zeit mehr für schöne Dinge zu „verplempern“. Mein Sohn verstand natürlich, dass die Grauen Herren die Bösen waren, doch ihr Verbrechen war es aus seiner Sicht nur, dass sie den Menschen ihre gesparte Zeit wegnahmen. Was daran schlecht sein sollte, Zeit zu sparen, war schwieriger zu vermitteln. Vielleicht ist dieses Konzept einem Kind noch fremd, weil es noch sein ganzes Leben vor sich hat und Zeit reichlich vorhanden ist. Andererseits sind auch Grundschulkinder schon stark eingespannt von Schulaufgaben und Nachmittagsterminen.
Noch mehr aber glaube ich, dass sie von uns Eltern mitbekommen, wie sehr wir uns im Alltag abhetzen, um – tja, wozu eigentlich? Zahlen wir am Ende doch alle auf das Zeitkonto der Grauen Herren ein?

Wie getaktet mein Alltag ist – und das, obwohl ich derzeit nur zwei Tage die Woche im Büro bin, wurde mir wieder einmal bewusst, als ich in den Osterferien Urlaub mit meiner Familie machte. Wir alle sehnten uns nach einer Auszeit vom stressigen Alltag. Deshalb hatte ich auch nichts weiter geplant, außer eine Unterkunft mit Pool und fußläufig erreichbarer Strandpromenade zu buchen. Die Vormittage verbrachten wir meist in und um unseren Bungalow herum. Mein Mann und ich ließen die Kinder spielen und spielten bisweilen mit. Gen Mittag ging es auf in ein Restaurant, von dem aus wir weiterzogen Richtung Strand – oder zurück zum Pool, um dort weiter die Seele baumeln zu lassen. In diesen zehn Tagen schaffte ich es, zweieinhalb Bücher durchzulesen, was für einen Urlaub mit Selbst verpflegung und zwei Kindern, die freilich auch mal Streit oder unterschiedliche Bedürfnisse hatten, eine gute Quote ist.
Das Beste: ich nahm mein Smartphone kaum zur Hand, und wenn, dann nur, um Fotos zu machen. Digital Detox – die digitale Entgiftung, hat mir gezeigt, was der wirkliche Zeitfresser meines Alltags ist: sinnloses Herumscrollen durch die Sozialen Medien unter dem Vorwand, einfach mal abschalten zu wollen, so wie die vorherige Generation den Fernseher nutzte (nur dass man diesen, welch Wohltat, nicht immer und überall dabei hatte). Bei meiner Buchlektüre konnte ich mich, im Gegensatz zum Bilderkonsum auf dem Handydisplay, hinterher auch noch bestens an das Gelesene erinnern und mich sogar angeregt darüber unterhalten (besonders über „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman s.u.).  

Einen guten Monat nach Ende unseres Urlaubs ist leider schon nicht mehr viel von dem Gefühl übrig, alle Zeit der Welt zu haben. Doch ein paar Dinge konnte ich mir erhalten: ich lese mehr Bücher und lege das Handy schneller weg.
Im nächsten Urlaub übe ich dann wieder, wie es geht, die Zeit gegen den Wunsch der Grauen Herren ordentlich zu verplempern.

Text: Fritta Füllgrabe
Foto: pixabay

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Buchempfehlung: Im Grunde Gut ‒ Lesen und dann Nachrichten aus

In Zeiten wie diesen, in denen die schlimmsten Menschen die mächtigsten Länder regieren und Ungeheuerliches tun, kommt es bei manchen befremdlich an, wenn ich immer noch auf meinem Credo beharre, an das Gute im Menschen zu glauben. Also habe ich mir angewöhnt, vor solche Aussagen „Ich bin vielleicht naiv, aber…“ zu setzen. Doch dann habe ich Rutger Bregmans Buch gelesen und mir vorgenommen, damit aufzuhören, mich für meinen Optimismus zu entschuldigen.
Damit zu rechnen, dass es mit den Menschen nur schlecht ausgehen kann, wird gern als “Realismus” bezeichnet. Schließlich wissen wir doch alle, wozu Menschen fähig sind. Man schaue sich nur all die Kriege an, die gerade auf der Welt wüten. Es gibt berühmte wissenschaftliche Experimente, die beweisen, dass jeder von uns in der Lage ist, anderen Schaden zuzufügen. Etwa jenes, das Studenten in Wärter und Gefängnisinsassen aufteilte und sich selbst überließ, was in grausamer Unterdrückung der Gefangenen mündete. Oder ein anderes, bei dem unschuldige Proband *innen unter Anleitung einer Autoritätsperson bereit waren, ihren „Schüler*innen“ Stromschläge zu verpassen, die bis in tödliche Volthöhen hochgeregelt wurden (nicht wissend, dass es sich bei den Opfern um Schauspieler*innen handelte und keinerlei Strom floss). Experimente wie diese sollten zeigen: der Mensch ist von Natur aus schlecht.
Im Gegensatz dazu erlangen Erkenntnisse, die solche Behauptungen und entsprechende Studien widerlegen und, vielmehr noch, das Gegenteil beweisen, längst nicht so viel Aufmerksamkeit. Das sollte sich ändern. Und das kann es, wenn wir Im Grunde Gut lesen. Dann erfahren wir, dass die Menschen erst begannen, sich zu bekriegen, als vor ca. 10.000 Jahren die Landwirtschaft und damit der Privatbesitz aufkam. Und dass trotz aller Kriege Soldaten in den allermeisten Fällen vermeiden, auf den Feind zu schießen. Dass auf einer einsamen Insel gestrandete Jungs sich nicht zerstreiten oder schlimmeres, sondern eine friedliche Gesellschaft bilden und Freunde fürs Leben werden. Wir lesen von Gefängnis-
sen ohne Gitterstäbe, Unternehmen ohne Management und Schulen ohne Klassenräume, die jeweils besser funktionieren, als ihre üblichen Pendants, die auf oft schädlicher Machtausübung beruhen.
Denn wie Bregman auf unterhaltsame Weise belegt, ist der Mensch “im Grunde gut”. In aller Regel wählen wir den friedlichen Weg und Gewalt ist uns zuwider.
Warum es doch immer wieder schiefgeht, hat viele Gründe, die bisweilen überraschen. Es hat etwas damit zu tun, dass Machthaber selten erröten. Oder damit, dass wir glauben, was uns die Nachrichten suggerieren ‒ denn schlechte Nachrichten gelten als gute Nachrichten. Aber wir können ändern, wie wir uns Menschen betrachten, dürfen einander mit Vertrauen und Zuversicht begegnen. Lange genug haben wir Realismus mit Zynismus verwechselt. Denn es ist keineswegs naiv, das Gute im anderen zu sehen und zu erwarten, sondern ‒ wer hätte das gedacht? ‒ realistisch.

Britta Füllgrabe

Rudger Bregman: Im Grunde Gut. Eine Neue Geschichte der Menschheit. Rowohlt 2020. 480 Seiten. (Taschenbuchausgabe 15 Euro).


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